Impuls zum 14. Dezember 2025
Von Odilo Metzler (Stuttgart), pax christi-Bundesvorsitzender
Vorläufer sein
1. Lesung Jes 35,1-6b.10 Die Wüste jubelt, Kummer und Seufzen entfliehen
2. Lesung: Jak 5,7-10 Macht eure Herzen stark
Evangelium: Mt 11,2-11
In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird. Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.
Gedanken zum Evangelium
Viele Menschen erleben unsere Zeit mit ihren Krisen als seelische Wüstenzeit. Untersuchungen weisen darauf hin, dass fast ein Viertel der Jugendlichen, sich als psychisch belastet erleben, und damit auch ihre Familien, die keine psychologische Betreuung für sie finden. Auch Armut belastet. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, dass fast jede:r Fünfte in Deutschland wegen Armut sich wichtige Waren und Dienstleistungen nicht leisten kann und schon gar kein Geld hat für klimafreundliche Investitionen. Die Einkommensschere geht weiter auseinander. Die fünf reichsten Familien in Deutschland besitzen ein Privatvermögen von 250 Milliarden Euro, mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung, also 40 Millionen. Und viele Menschen sehen nicht, wie wir in eine Zukunft ohne Kriege und zerstörte Natur kommen können.
In diese düstere Wüstenzeit hinein wird uns von einer Hoffnung erzählt, die die erfasst, die nicht mehr weitersehen, die sich gelähmt fühlen, die ausgegrenzt sind, die nichts verstehen und die nichts haben: Die Stimme eines Rufers in der Wüste, ein Bote Gottes, der vom Licht kündet, das durch das Dunkel dringt. Damit die Menschen von Angst und Bedrücktheit zu Hoffnung und Vertrauen finden. Ist es nicht das, was wir brauchen: einen der die Krisen und die Wüste kennt, unsere geplagten Seelen, der uns zuruft: Es gibt eine Perspektive. Es kommt einer, der das Dunkel hell macht, der unsere Sehnsucht mit Licht erfüllt. Er ist schon da, unter uns, wir müssen ihm nur Raum geben.
Johannes lebte so, dass Menschen neugierig wurden und zu ihm in die Wüste kamen und wissen wollten, welche Orientierung er gibt. Er lebte radikal anders, nicht zu seinem Vorteil, nicht auf Kosten anderer oder der Zukunft. Er war frei, selbst in der Wüste. Er lebte so, dass er dem Neuen nicht im Weg stand. Er wühlte auf, brachte einen neuen Blick. Solche gibt es auch heute nicht so viele. Es ging ihm nicht um sich selbst, sondern um die Menschen und ihre Zukunft.
Er sah sich als Boten Gottes, nicht als wiederkehrenden Elija und Vollender der Welt, sondern als Vorläufer des Messias, so zeigen ihn uns die Evangelisten. Vorläufer sein heißt, auf das Kommende, das Neue hin leben, und sich mit den Widerständen anlegen, die ihm im Weg stehen. Christsein wird gemeinhin beschrieben als Nachfolge. Vielleicht ist es auch wichtig, uns als Vorläufer zu sehen, die so leben, dass Menschen nach uns gut und heil leben können, dass Christus nach uns in den Menschen Liebe, Frieden und Gerechtigkeit vollenden kann.
Vielleicht ist der Wüstenadvent eine Chance, zu erkennen, was wesentlich ist in unserem Leben, was uns an wirklichem Leben hindert und was uns frei macht und Hoffnung gibt, auch, was uns in Beziehung bringt zu unseren Mitmenschen und zu unserer Erde, was Licht ist für unser Leben. Damit Neues kommen kann, braucht es uns als Zeuginnen und Zeugen für das Licht, Vorläuferinnen und Vorläufer für kommendes Heil und kommenden Frieden. Wenn wir dafür offen sind, können Menschen auch in der gegenwärtigen Wüste Hoffnung schöpfen.
Gebet
Gott, lass uns in dieser dunkleren und ruhigeren Jahreszeit auf uns selbst achten, auf unsere Seele, auf die Ruhe, die sie braucht, auf das Neue, das sich in ihr verbirgt und das entstehen will. Lass uns geduldig sein und gut zu uns selbst, barmherzig mit dem, was uns lähmt, neugierig auf das, was sich in uns wandelt, offen für neue Blicke, neue Schritte, neue Begegnungen, neue Klänge, neuen Mut und das Geschenk des Lebens. Lass uns den Frieden des Himmels und der Erde verbinden und deine Boten und Vorläufer sein.
Odilo Metzler
Ich glaube, dass Gott auf Gebete und Taten wartet
„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“
Dietrich Bonhoeffer, aus: Widerstand und Ergebung